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POROUS: Osteoporose-Diagnostik der nächsten Generation

Das Potsdamer Start-up POROUS hat eine Technologie entwickelt, mit der sich Osteoporose und seltene Knochenerkrankungen besser diagnostizieren lassen. Patient:innen könnten dadurch schon bald von maßgeschneiderten Therapien profitieren.

„Die Ergebnisse der Pilotstudie haben unsere Hoffnungen noch übertroffen“, freut sich Kay Raum. Er ist Professor am Centrum für Biomedizin der Berliner Charité und Chief Scientific Officer des 2020 gegründeten Potsdamer Start-ups POROUS. An der Charité hat er mit seinem Team eine Methode erfunden, die Ultraschall mit intelligenten Algorithmen verbindet. Damit lässt sich die Mikrostruktur der Knochen deutlich besser bestimmen als mit herkömmlichen Methoden. POROUS überführt diese Technologie nun in ein Medizinprodukt und könnte somit die Erkennung und Therapie von Osteoporose revolutionieren. Aber nicht nur das: Auch seltene Knochenerkrankungen könnten dank der genaueren Diagnostik deutlich besser behandelt werden.

Besser als die herkömmliche Diagnostik: Ergebnisse der Pilotstudie

In der 2020 durchgeführten Pilotstudie wurden postmenopausale Frauen mit Osteoporose oder einer Vorstufe der Erkrankung (Osteopenie) anhand dreier verschiedener Methoden gemessen: der herkömmlichen Knochenmineraldichtemessung mittels Röntgenstrahlen (DXA-Verfahren), einer hochauflösenden CT-Messung und der an der Charité entwickelten Ultraschallmessung.

Mit der herkömmlichen Knochenmineraldichtemessung konnten Frauen mit bzw. ohne Fragilitätsfrakturen nicht voneinander unterschieden werden. In der hochauflösenden CT-Messung zeigen sich bei Frauen mit Frakturen Strukturveränderungen, zum Beispiel eine verringerte Knochenwanddicke und vergrößerte Poren. Diese Messung ist jedoch im klinischen Alltag nicht anwendbar, da es deutschlandweit nur zwei dieser Systeme gibt und rund eine halbe Millionen Euro kosten. Das von POROUS entwickelte Gerät ist dagegen preiswert, sicher und so einfach in der Anwendung, dass es in jeder Hausarztpraxis eingesetzt werden kann.

Osteoporose-Früherkennung mit physikalischen Modellen und künstlicher Intelligenz

Wenige Krankheiten sind so unterdiagnostiziert wie Osteoporose. Aktuelle Studien belegen, dass ungefähr 80 Prozent der Männer und 77 Prozent der Frauen in Deutschland, die von einer Therapie profitieren würden, nicht entsprechend diagnostiziert und therapiert werden. Häufig wird Osteoporose erst erkannt, wenn sich die Patient:innen bereits Knochen ohne ein traumatisches Ereignis gebrochen haben. Das liegt daran, dass eine Früherkennung bisher nicht möglich ist. Die Knochenmineraldichtemessung mit dem DXA-Verfahren vergleicht nämlich nur den relativen Knochenverlust im Vergleich zu einer jungen gesunden Referenzpopulation. Ebenso wichtig ist die Größe der mikroskopisch kleinen Knochenporen. Diese kann jedoch weder mithilfe von klinisch verfügbaren Röntgen noch mit klassischen Ultraschallsystemen bestimmt werden. Ultraschallwellen gelangen durch die festen Bestandteile der Knochen und werden an Poren gestreut. Da die Größe der Poren aber weit unterhalb der Auflösungsgrenze liegt, können sie nicht bildlich dargestellt werden. Prof. Raum und sein Team haben ein physikalisches Rückstreumodell und intelligente Algorithmen entwickelt, die dieses Problem lösen und mit denen sich nun auch die Größe und Verteilung der Poren aus dem „spektralen Fingerabdruck“ bestimmen lassen.

Maßgeschneiderte Therapie- und Trainingsprogramme

Dadurch ergibt sich ein sehr genaues Bild der Mikrostruktur von Knochen, das als Grundlage für eine individuell abgestimmte Therapie dient. „Mit unserer Technologie können wir die Lebensqualität der Betroffenen ganz wesentlich erhöhen. Wer weiß, dass er Osteoporose hat, kann seinen Lebensstil anpassen. Außerdem können wir mit unserer Diagnosemethode auch genau sagen, bei wem eine Lebensstilveränderung ausreicht und wer medikamentös behandelt werden sollte, um Knochenbrüche zu verhindern“, erklärt Kay Raum. „Wir gehen davon aus, dass sich mit unserer Methode langfristig bis zu 50 Prozent der osteoporosebedingten Frakturen vermeiden lassen. Dadurch werden auch die damit verbundenen Kosten für das Gesundheitssystem erheblich sinken.“

Eine Chance in der Behandlung seltener Krankheiten

Doch nicht nur Patient:innen mit Osteoporose dürfen dank der neuen Diagnose-Möglichkeiten auf individuellere Therapien hoffen. Es gibt rund ein Dutzend seltene Knochenerkrankungen, von denen in Deutschland und Österreich zwischen 10.000 und 15.000 Patient:innen betroffen sind. Die Glasknochenkrankheit (Osteogenesis Imperfecta) ist die bekannteste. Auch bei den seltenen Knochenerkrankungen konnte eine Studie nachweisen, dass die Ultraschalldiagnostik genauere Ergebnisse liefert als die konventionelle Röntgendiagnostik. Statt nur einen Parameter – die Knochendichte – misst POROUS fünf verschiedene Struktur- und Materialeigenschaften, zum Beispiel die Knochenwanddicke, Schallgeschwindigkeit und Schalldämpfung. „Mit unserer Diagnostik können Betroffene medikamentös besser eingestellt werden“, sagt Kay Raum. Außerdem ermögliche der genauere Befund den Patient:innen ein besseres Management ihrer Krankheit und ein aktiveres, gesünderes Leben. „Wer weiß, dass seine Knochen schnell brechen können, bewegt sich weniger. Genau das ist bei den allermeisten Knochenkrankheiten aber kontraproduktiv, da nicht nur gesunde Knochen mechanische Impulse benötigen, um einen Abbau zu verhindern und die Regeneration zu fördern. Unsere Diagnosemethode ist einfach anzuwenden und völlig nebenwirkungsfrei. Dadurch lässt sich der Verlauf der Erkrankung kontinuierlich messen und sowohl Behandelnde als auch Patient:innen wissen somit genau, wie gut ihre Knochenqualität gut ist und sie entsprechend angepasst aktiv sei können.“

Wann kommen die neuen Geräte auf den Markt?

„Ende 2021 haben wir eine wichtige Förderung der ILB-Brandenburg erhalten. Damit können wir jetzt richtig durchstarten. Wir planen die Zertifizierung für die erste Gerätegeneration bis Ende 2022“, sagt Kay Raum. Weitere klinische Studien laufen bereits oder beginnen noch in diesem Jahr.

Hochauflösende CT Aufnahmen

Hochauflösende CT Aufnahmen von Unterschenkelknochen postmenopausaler Frauen ohne (links) und mit (rechts) Fragilitätsfrakturen an der Wirbelsäule. Das Auftreten von Fragilitätsfrakturen ist mit einer Verringerung der Knochenwanddicke (grün markiert) und dem Auftreten von großen Poren verbunden. Die konventionelle Messung der Knochenmineraldichte ergab in beiden Fällen vergleichbar erniedrigte, aber nicht osteoporotische Werte.

Genauere Ergebnisse als die herkömmliche Diagnostik

Die Messung mit dem von POROUS entwickelten Gerät ermöglicht genauere Ergebnisse als die herkömmliche Diagnostik - nicht nur bei Osteoporose, sondern auch bei seltenen Knochenerkrankungen. Das Gerät ist preiswert, sicher und so einfach in der Anwendung, dass es in jeder Hausarztpraxis eingesetzt werden kann.

Wir gehen davon aus, dass sich mit unserer Methode langfristig bis zu 50 Prozent der Frakturen vermeiden lassen. Dadurch werden auch die damit verbundenen Kosten für das Gesundheitssystem erheblich sinken.

Kay Raum

CSO, POROUS