Maßgeschneiderte Zellen aus dem Labor, mit denen beschädigtes Gewebe im Körper des Patienten passgenau repariert werden kann. Klingt nach Zukunftsmusik? Ganz und gar nicht. Im Brandenburgischen Teltow werden bereits heute Knorpelzellen gezüchtet, mit denen beschädigter Gelenkknorpel wiederaufgebaut und der Einsatz künstlicher Gelenke oft verzögert oder verhindert werden kann.
Gelenkprobleme verursachen bei den Betroffenen schwere Schmerzen und schränken ihre Lebensqualität stark ein. Grund sind häufig Knorpeldefekte. Die Volkskrankheit betrifft bereits heute jeden Zweiten – und die Tendenz ist aufgrund der immer stärker alternden Bevölkerung steigend. Doch auch junge Menschen sind gegen Knorpelschäden nicht gefeit, denn häufig sind Sportverletzungen Grund für diese Diagnose.
Die herkömmliche Behandlung sieht eine Schmerzreduktion durch Medikamente, Physiotherapie und mittel- bis langfristig oft den Einsatz eines künstlichen Gelenks vor. Nicht in jedem Fall handelt es sich dabei um die für den Patienten optimale Lösung. Fast die Hälfte der Patienten hat nach dem Einsatz eines Kunstgelenks weiterhin Beschwerden. Außerdem müssen die Implantate in der überwiegenden Mehrzahl alle 10-15 Jahre ausgetauscht werden.
Unter Umständen ist ein Wechsel der Implantate irgendwann allerdings nicht mehr möglich, weshalb ein solcher gerade in jungen Jahren eher vermieden werden sollte. Dazu kommt noch, dass immer wieder fehlerhafte Implantate von sich reden machen: Keine andere Operation verursacht mehr Klagen aufgrund medizinischer Mängel als der Einsatz künstlicher Gelenke. Denn im Gegensatz zu Medikamenten müssen Implantate keine strengen klinischen Prüfungen durchlaufen.
Anders sieht es bei der körpereigenen Knorpelzelltherapie (Autologe Chondrozyten Transplantation - ACT) aus. Formal zählt sie als Arzneimittel und musste daher in umfangreichen Studien ihre Wirksamkeit beweisen – mit Erfolg. „Ende der 80er Jahre gab es die ersten Studien, mit denen nachgewiesen wurde, dass Knorpelzellen im Labor gezüchtet werden können. Der Jahrhunderte alte Grundsatz ‚Knorpel ist nicht heilbar‘ war damit widerlegt“, erklärt Tilmann Bur, Vorstandsmitglied der CO.DON AG. Verschiedene Firmen, damals über 30 allein in Deutschland, machten sich daran, Lösungen für die klinische Anwendung zu entwickeln. Zwei davon sind heute noch am Markt – eine der beiden nun auch auf dem europäischen: CO.DON. Bereits 1997 wurde der erste Patient mit dem Verfahren des Unternehmens mit Hauptsitz in Teltow behandelt. 2008 folgte die Kostenerstattung für die Anwendung an Knie und Hüfte durch die deutschen Krankenkassen, 2010 der Start der klinischen Studien – und im Juli 2017 schließlich die EU-Zulassung des Arzneimittels für den Einsatz am Kniegelenk.
Bei der minimalinvasiven autologen Zelltherapie werden dem Patienten Knorpelzellen und eine kleine Menge Blut entnommen. In den Laboren der CO.DON werden daraus neue, patienteneigene Knorpelzellen gezüchtet und dem Patienten in einer zweiten Operation eingepflanzt. Aus den eingesetzten Zellen wächst neues gesundes Knorpelgewebe heran und nach etwa einem Jahr ist das Gelenk wieder voll hergestellt. „Es gibt kein pharmazeutisches Produkt, das einen höheren Personalisierungsgrad hat als unseres“, so Bur. Denn die entnommenen Zellen kommen mit nichts in Berührung außer dem Blut des Patienten, d.h. es werden keine Antibiotika oder Wachstumshormone beigefügt. Abstoßreaktionen oder andere Komplikationen sind nahezu ausgeschlossen. Patientenbefragungen bestätigen den Erfolg: Nach bisherigen Studien sind 80-90 Prozent der Patienten mit dem Ergebnis der ACT-Therapie zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Warum also wird das Verfahren nicht viel öfter angewandt?
„Wir positionieren uns klar im Bereich der Arthrose-Prophylaxe“, erklärt Bur. „Bei einer voll ausgebildeten Arthrose hilft nur noch ein künstliches Gelenk. Doch durch die richtige Prophylaxe kann dies oft noch lange hinausgezögert oder sogar verhindert werden. Unsere Maxime lautet entsprechend ‚Gelenkerhalt vor Gelenkersatz‘.“ Die Gründe, warum sich das Verfahren noch nicht breiter etablieren konnte, sieht Bur zum einen in der langwierigen Zulassung, zum anderen aber auch in der Gesundheitspolitik. In keinem anderen europäischen Land werden mehr künstliche Gelenke eingesetzt als in Deutschland – rund 160.000 im Jahr, doppelt so viele wie etwa in Frankreich.
Künstliche Gelenke werden in Deutschland oft zu häufig und zu früh eingesetzt. Ein Grund sind Vorgaben, die beispielsweise vorsehen, dass Kliniken aus Gründen der Qualitätssicherung eine Mindestanzahl solcher gelenkersetzenden Operationen pro Jahr durchführen müssen.
Hier muss also weiterhin Überzeugungsarbeit geleistet werden. Eine andere wichtige Hürde ist dagegen bereits genommen. Denn mit der EU-Zulassungder Knorpelzelltherapie hat das mittelständische Unternehmen geschafft, was selbst für große Pharmafirmen einen enormen Kraftakt darstellt – aufwendig, teuer und risikoreich. Aber es hat sich gelohnt: Aktuell ist CO.DON der einzige Anbieter mit einem EU-zugelassenen Arzneimittel zur Behandlung von Knorpeldefekten im Knie auf dem europäischen Markt und entsprechend hoch sind die Marktchancen. Die hohe Investition in Forschung und Studien dürfte sich also auszahlen. In den Niederlanden, Großbritannien, der Schweiz und Österreich ist das Arzneimittel bereits für Patienten verfügbar. Der Eintritt in weitere Märkte wird vorbereitet. Gezüchtet werden sollen die Zellen aber weiterhin in Deutschland – neben Teltow seit August 2021 auch am Standort Leipzig, an dem eine der größten Anlagen zur Züchtung humaner Zellen im industriellen Maßstab entstanden ist. Die hervorragende logistische Lage spielt dabei eine wichtige Rolle. England zum Beispiel will das Unternehmen aus der Luft beliefern. Die Nähe zum Flughafen ist daher extrem wichtig.
Der EU-weite Markt steht CO.DON bereits offen – bald auch der außereuropäische? Mit Blick auf die Erfolgsgeschichte des Unternehmens bestehen daran keine Zweifel.
„Wir positionieren uns klar im Bereich der Arthrose-Prophylaxe. Unsere Maxime lautet entsprechend ‚Gelenkerhalt vor Gelenkersatz‘.“
Vorstandsmitglied der CO.DON AG
Gegründet wurde CO.DON 1993 als Ausgründung der Henning AG. Bereits 1997 erhielt CO.DON als erstes Unternehmen in Deutschland die Herstellungserlaubnis für körpereigene Zelltransplantate. Die Methode wurde bisher erfolgreich an Knie, Sprunggelenk, Schulter, Ellenbogen undHüfte angewandt. 2001 wagte das Teltower Unternehmen den Gang an die Börse. Seit 2008 übernehmen die deutschen Krankenkassen die von CO.DON angebotene Knorpelzelltherapie bei einzelnen Indikationen wie dem Knie und der Hüfte. 2010 wurden die klinischen Studien der Phase II und Phase III initiiert, die in den Jahren 2018 und 2020 erfolgreich abgeschlossen wurden. 2017 schließlich erfolgte die EU-weite Zulassung für den Einsatz am Kniegelenk. Mit dem Produktionsstart in Leipzig im Sommer 2021 erreichte CO.DON einen weiteren wichtigen Meilenstein in der Geschichte des Unternehmens. Der zweite Produktionsstandort der CO.DON in Leipzig beherbergt eine der größten Anlagen zur Züchtung humaner Zellen im industriellen Maßstab.
Wie CO.DON Knorpelzellen aus patienteneigenen (=autologen) Zellen und Blut herstellt
Häufig sind Knorpelschäden der Grund für Gelenkschmerzen. Bleiben diese Schäden unbehandelt, können sie im Lauf der Zeit immer größer werden und das Gelenk verschleißen. Die CO.DON AG bietet ein Verfahren an, um diesem Prozess entgegenzuwirken. Bei der körpereigenen (autologen) Chondrozyten Transplantation (ACT) wird den Patienten ein kleines Stück gesunden Knorpels sowie eine kleine Menge Blut entnommen. Im Labor von CO.DON werden mit Hilfe des Blutserums neue, patienteneigene Knorpelzellen gezüchtet und dem Patienten in einem zweiten, kleinen operativen Eingriff wieder eingesetzt. Im Körper des Patienten bildet sich auf natürliche Weise neues Knorpelgewebe, das sich mit dem gesunden Knorpel verbindet. Knorpeldefekte können so aufgefüllt werden.