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Augmented Reality in der Oberlinklinik in Potsdam

„Die AR-Technik ermöglicht uns, genauer und weniger invasiv zu operieren.“

DR. MED. ROBERT KRAUSE

Ärztlicher Direktor an der Oberlinklinik

Chirurgische Eingriffe können genauer und weniger invasiv durchgeführt werden. Die Ärzt:innen der Orthopädischen Fachklinik an der Oberlinklinik nutzen die neue Technik bereits.

Augmented Reality hat großes Potenzial in der Medizin

„Ich war sofort fasziniert von den Möglichkeiten, die die AR-Technologie bietet“, erzählt Robert Krause. Er ist der Ärztliche Direktor an der Oberlinklinik. 2020 erfährt er auf einer Konferenz von einem AR-System, das Ärzt:innen hilft, Implantate präziser auszurichten. Kurze Zeit später nutzt er die neue Technik selbst: „Die AR-Technik ermöglicht uns, genauer und weniger invasiv zu operieren“. Die Oberlinklinik nutzt das AR-System aktuell beim Einsatz künstlicher Kniegelenke. Künftig soll es auch für Operationen an Hüfte und Schulter genutzt werden.

Präziser und weniger invasiv

Wenn Krause mit der AR-Brille operiert, erscheinen im oberen Sichtfeld anatomische Daten des Patienten, die ihm dabei helfen, das künstliche Gelenk passgenau einzusetzen. „Wir müssen das Implantat in einem bestimmten Zielwinkel am Knochen des Patienten ausrichten“, erklärt Krause.

Vor der Operation wird die Ausrichtung des Implantats berechnet, doch diese Werte müssen während der OP angepasst werden, denn der tatsächliche Verschleiß des Knies wird erst während der Operation sichtbar. „Dabei hilft mir das System. Durch die eingeblendeten Werte, sehe ich, bei welchem Winkel ich lande, wenn ich das Implantat ein bisschen weiter links oder ein bisschen weiter rechts platziere. Auch wenn ich einen Schnitt gemacht habe, kann ich optisch kontrollieren, ob der Schnitt auch wirklich exakt ist. Bei der händischen Ausrichtung fehlt dieser Prüfschritt. Wir können mit der AR-Technik daher deutlich genauer operieren.“ Konkret heißt das: Mit AR können Implantate auf einen Grad genau ausgerichtet werden, bei der herkömmlichen Methode sind es ca. drei.

Die Operation mit AR-Brille ist aber nicht nur präziser, sondern auch weniger invasiv. Bei der herkömmlichen Methode werden Ausrichtestangen in den Knochen der Patient:innen geschoben, um die Winkel zu bestimmen, nach denen das Implantat ausgerichtet werden soll. Mit der AR-Methode braucht man die Stangen nicht mehr, was die Wundheilung deutlich begünstigt und die Infektionsgefahr reduziert. Außerdem, so Krause, gäbe es auch Fälle, in denen man Ausrichtestangen nicht oder nur schwer platzieren kann – z.B. bei Fehlstellungen nach Knochenbrüchen: „Gerade hier hat das Operieren mit AR klare Vorteile.“

Hohes Potenzial bei Schulter-OPs

Die Oberlinklinik arbeitet eng mit dem französischen Hersteller des Systems zusammen, um die Technik weiterzuentwickeln. Als nächster Schritt ist der Einsatz an Schulter- und Hüftgelenk geplant. Außerdem soll das System so weiterentwickelt werden, dass neben den Ausrichtewinkeln noch andere Parameter, wie etwa die Spannung der Bänder, angezeigt werden. Auf den Einsatz an der Schulter freut sich Krause besonders: „Bei den bisher gängigen Operationsmethoden gibt es noch Optimierungsbedarf. Hier ist der Einsatz der AR wirklich höchstinteressant.“ Potenzial sieht er auch bei der Korrektur von Fehlstellungen, zum Beispiel nach Brüchen.

Wird sich die neue Technik durchsetzen?

Noch ist die Oberlinklinik eine der Vorreiterinnen der neuen Technik. Doch Krause sieht für Augmented Reality eine große Zukunft voraus. Schon jetzt kommen regelmäßig interessierte Kolleg:innen aus dem In- und Ausland zu Besuch, um Krause und seinem Team über die Schulter zu schauen und die neue Technik kennenzulernen.
„Das AR-System ist einfach sehr praktikabel. Ich könnte mir daher gut vorstellen, dass es bald flächendeckend genutzt wird“, so Krause. „Den Umgang mit der VR-Brille hat man schnell gelernt und man braucht auch keine Techniker:innen, die das Ärzt:innen-Team während der Operation unterstützen.“ Das unterscheide das AR-System von robotikgestützten Anwendungen, die ebenfalls im Haus genutzt werden. Zwar führten auch diese zu genaueren Ergebnissen, der Aufwand sei aber deutlich größer. „Man braucht mehr Personal, die Operationen dauern in der Regel länger und oft müssen auch größere Schnitte gemacht werden, wodurch die Infektionsgefahr steigt“, erklärt Krause. Und noch einen weiteren Vorteil hat die AR-Technik seiner Meinung nach gegenüber der Robotik: „Bei der Robotik sehe ich schon das Problem, dass die Technik den Operateur:innen das Operieren abgewöhnt. Bei der AR-Technik ist das ganz anders: Hier behalte ich ja meinen eigenen Blick und habe selbst alle Kontrollmöglichkeiten über die Technik. Das ist es, was die AR-Technik für mich so überzeugend macht: dass sie mich nicht von dem ablenkt, was ich eigentlich tun will.“