Menschenwürde als Unternehmensphilosophie
Seitdem geht es steil bergauf mit dem Potsdamer Unternehmen. Wirtschaftlicher Erfolg stehe aber nicht an erster Stelle, erklärt Michaela Funk-Neubarth, Leiterin Marketing & PR. „Das ist eine Überzeugungsgeschichte. Die Leute hier glauben, dass das, was wir tun, gut ist.“ So beruft sich die Unternehmensphilosophie der Firma MIETHKE auf nichts Geringeres als Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Und dies wird auch beim Engagement für die Patienten deutlich: Kann ein Produkt noch verbessert werden, wird das auch getan – und zwar erfolgreich: 2006 erhält die Firma zum zweiten Mal den Innovationspreis Berlin Brandenburg, diesmal für eine Technologie, mit der das Unternehmen bis heute konkurrenzlos ist. Dieses für die aufrechte Körperlage verstellbare Gravitationsventil kann auf die individuellen Veränderungen im Leben eines Patienten – wie z.B. Wachstum bei Kindern – eingestellt werden und erspart den Patienten sonst unerlässliche Revisions-Operationen.
Mit der Führungsebene im Reinraum
Vielleicht ist Miethke wirtschaftlich deshalb so erfolgreich, weil er Erfolg auch woanders sucht: „Ich frage mich manchmal, ob der Erfolg so entscheidend ist. Viel entscheidender ist doch die Frage, ob das, was wir tun, das ist, was wir tun wollen, und ob wir überzeugt sind, von dem, was wir tun“, erklärt er im Unternehmensvideo. Diese Einstellung trägt Früchte: „Jeder ist sich dessen bewusst, welches Glück man hat, hier arbeiten zu dürfen“, findet Reinraum-Mitarbeiter Hubert Kuntscher. „Das klingt so übertrieben, ist aber tatsächlich so. Hier ist es wirklich ziemlich großartig.“
Und auch das Miteinander macht die Firma besonders. Denn, wenn es hart auf hart kommt, packt schon mal die gesamte Führungsebene im Reinraum mit an. Als die Zeit bei einem Großauftrag für einen chinesischen Kunden knapp wurde, schlüpften sämtliche Abteilungsleiter plus Miethke in die Reinraum-Uniform, setzten Ventile zusammen und schoben sie in die Verpackungen. Trotz schmerzender Fingerkuppen hat Frau Funk-Neubarth das Erlebnis in positiver Erinnerung. Es sei ein „schönes Gefühl“ gewesen, die Mammutaufgabe gemeinsam zu stemmen und damit auch die Wertschätzung für die Arbeit der Kollegen zum Ausdruck zu bringen.
Arbeiten, Pilgern, Papa-Sein
Die gemeinsame Vision, Menschen zu helfen. Das ist es, was laut Michael Dahm das Arbeiten bei Miethke ausmacht – menschlich ist das Wort, das hier häufig fällt. Die Mitarbeiter stehen im Fokus. Sie werden in Entscheidungen eingebunden und ernst genommen. Konkret heißt das: Es gibt eine Vertrauensarbeitszeit. Ein „Familiengeschenk“, findet Eva-Riek-Brand, Mitarbeiterin im Bereich Marketing.
„Ich kann jederzeit über Veränderungen in meinem Leben sprechen und mein Arbeitsleben an meine privaten Gegebenheiten anpassen“, erklärt sie. Für einen frisch gebackenen Papa in der Firma heißt das etwa, dass er monatlich seinen Vertrag ändern kann, um seine Arbeitszeit an die neue Familiensituation anzupassen; für einen anderen Mitarbeiter, dass er vier Wochen freinimmt, um auf dem Jakobsweg zu pilgern. Dieser Vertrauensvorschuss kommt auch der Qualität der Produkte zugute: „Es gibt keinen Druck. Und das ist auch wichtig, weil wir eine möglichst spitzenmäßige Qualität abliefern müssen. Es geht ja um Menschenleben. Die Quantität ist dann zweitrangig“, so Hubert Kuntscher.
Freiheit, Vertrauen, Wertschätzung: Dahinter steckt eine humanistische Grundhaltung, die Firmenchef Christoph Miethke auch außerhalb seines Unternehmens lebt. Er ist Gründungsmitglied des Vereins Neues Potsdamer Toleranzedikt, der – in Anlehnung an das historische Edikt von Potsdam – für eine weltoffene Stadt eintritt. Darüber hinaus übernimmt das Unternehmen internationale Patenschaften, etwa in einem Krankenhaus in Ruanda, wo Hydrocephalus-Patienten kostenlos behandelt werden.
Auf den Spuren Friedrich II.
Miethke hat es als Unternehmer geschafft, seine Überzeugungen innerhalb und außerhalb des Firmenalltags in die Tat umzusetzen. Und das ist laut Jörg Knebel, Leiter Qualitätsmanagement, erst einmal nicht in Zahlen messbar. Wenn man es schaffe, eine gute Stimmung im Team zu erzeugen, habe man die Grundlage für gute Arbeitsergebnisse geschaffen. „Wenn ich Karriere auf Kosten anderer machen will, erreiche ich genau das Gegenteil. Als Vorgesetzter sollte man sich als Dienstleister für sein Team verstehen.“
Klingt wie …? Genau: „Der Herrscher ist der erste Diener seines Staates“, Friedrich II. Diese Einstellung hat Tradition in der Region!